Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – egal wie

High-Carb, Low-Carb, High-Fat, Low-Fat, Veganismus oder Intervalldiät: Auf der Suche nach der perfekten Ernährung hat sich die Gesellschaft nunmehr in einem Strudel aus Diskussionen, Mythen und Spekulationen um die gesündesten Speisen verfangen. Durch Blogger in Sozialen Netzwerken, die größtenteils kulinarischen Verzicht predigen, wächst der Druck auf den Einzelnen, seinen gewohnten Essensplan radikal umzustellen. Doch gibt es in puncto Ernährung wirklich die einzig richtige Antwort?

Haben Sie schon mal Peanut Butter auf New Yorker Art probiert? In der Metropole ist es gang und gäbe, die hellbraune Paradiescreme zusammen mit frischen Früchten und Reismilch einfach in den Mixer zu geben. Ein Traum, einfach göttlich! Mit fruchtigem Gelee auf knusprigem Toastbrot kann Erdnussbutter natürlich auch in ihrer klassischsten Kombination mithalten und sich längst auf ihren Status als eingemeißelte Komponente in der amerikanischen Esskultur ordentlich etwas einbilden. Genauso wie Silberdollar-Pancakes und üppige Western-Sandwiches gehören sie seit Jahrzehnten zu einem ordentlichen amerikanischen Frühstück einfach dazu – schon immer und ohne Hintergedanken. Dieser köstlich-kulinarischen Idylle sollte jedoch vorerst ein (zuckerfreier Müsli-)Riegel vorgeschoben werden.

Denn je ungebremster die Zahlen der Adipositas-Erkrankten, mit Diabetes und dauerhaftem Bluthochdruck als häufigen Begleiterscheinungen in die Höhe kletterten, je ungebremster sich die Neigungen zu Junk-und Fast-Food in der ganzen Welt auswuchsen, desto vehementer und motivierter wurde sie eingeleitet – die neue Ära der Gesundheits-Gegenbewegungen. Egal ob nach dem Vorbild des Ursprungslandes USA oder nach den Modellen sämtlicher anderer Staaten der Erdkugel, haben alle Initiativen ein ähnliches Ziel: Kampf gegen Fett, Zucker, Kalorien und alles, was sonst noch reichhaltig ist und gut schmeckt!

Noch harmlos ging es zunächst mit der Welle an qualitativen Biosupermärkten und heimischen Naturkostläden im letzten Jahrzehnt los, die mit ethisch unbedenklichen und original angebauten Erzeugnisse gegen die in Antibiotika schwimmenden Industrie-Produkte aus rotem Tierfleisch wenigstens ein zaghaftes Zeichen setzen wollten. Gelang ihnen scheinbar so gut, dass irgendwann die mit Begeisterung mageres Biofleisch einkaufenden Großstädter begannen, Urban Gardening als neuen Trend heraufzubeschwören und den überwiegenden Teil ihrer Gerichte von nun an nur noch mit den frisch geernteten Cocktailtomaten und Pak-Choi- Kohlköpfen ihrer Midtown-Dachterrassen bedachten.

Mit rasanter Geschwindigkeit wurden daraufhin sämtliche Erfahrungsberichte, Facts und Mythen über most healthiest Ernährungsformen im Netz verstreut, verändert und von Bloggern, die sich schwerpunktmäßig mit der Philosophie der Nahrung beschäftigten, auf ihren Websites für die Erstellung ihrer jeweiligen Individuallebenskonzepte komprimiert. Spätestens der Terminus „Superfood“ veranlasste dann auch den letzten Rest der Welt, die sich bis dato noch nicht als Follower den „Food-Kings“ unterworfen hatten, in den allgemeinen Eifer von „Low-Carb“-Backbüchern und antioxidativen Acai-Beeren zu stürzen: Leichte Grünkohl-oder Aprikosensuppen sollten nun bereits am Morgen den Kohlehydraten in jeglicher Form den Garaus machen; allenfalls Chia-Eiweißbrötchen retteten sich gerade noch so mit auf den Speiseplan. Die gefährlichen P-Gerichte (Pizza, Pasta, Pommes) schmorten von nun an nicht mehr in der häuslichen Mikrowelle, sondern im Kerker aus Zucchini-Ersatznudeln, Hokkaido-Sticks  und Auberginen-Pizza-bites. Und dann wenigstens am Abend mal jene über die zähen Tagesstunden hinweg mühsam angesparten Lebensessenzen in hochkalorische TV-Dinner zu stecken, sollte einem auch nicht mehr vergönnt sein, wenn man Gwyneth Paltrow im Fernsehen sah und sich mit schlechtem Gewissen bewusstmachte, dass jemandes so bewundernswerte Schön-und Schlankheit nur auf preußischer Disziplin beruhen konnten– mit einem strikten Militär-Sportprogramm um fünf Uhr morgens, das nur durch Mandeln und Green-Juice als einzige Nährstofflieferanten für zwischendurch ergänzt werden darf. Denn vor frühestens 18 Uhr sollte man ohnehin nichts essen, um nicht in die naturgegebenen, seit dem Pleistozän-Erdzeitalter bestehenden Körperprozesse einzuschreiten. Schließlich konnten die ersten menschenähnlichen Wesen ja ebenfalls erst gemütlich zum Verzehr niederlassen, wenn die Nahrungssuche über den Tag beendet war. Jaja, danke Gwyneth, an den Beispielen unserer Vorfahren für einen optimalen Lebensstil kann man sich im Zweifelsfall doch immer orientieren (aber nicht an der Oma mit ihren schrecklichen Fünfziger-Jahre-Kalorienbomben).

Und dann fing man sich irgendwann über den steigenden Prozentsatz zu wundern an, der scheinbar wie aus dem Nichts Untergewichtige und Essgestörte in allen Ausprägungen hervorbrachte, die anstatt der Adipositas-Esssüchtigen nun die neuen Kummerkinder der Ernährungsgesellschaft darstellten. Ganz neu auf dem Markt die Essstörung „Orthorexia nervosa“, bei der das krankhafte Bedürfnis zur gesunden Ernährung die Betroffenen schleichend immer mehr Lebensmittel-Optionen aus dem Speiseplan streichen lässt und dann mit einer solchen Ernährung, die gänzlich auf ungekochter veganer Rohkost beruht, auf lebensbedrohliche Mangelerscheinungen und physische sowie psychische Entkräftung geradewegs zusteuert.

Je häufiger derartige Berichte über die Zahl an gesundheitlich Geschädigten an die Öffentlichkeit gelangten, je häufiger Bilder von Frühstücksschalen mit gerade einmal drei parallel angeordneten Beeren und Hashtags unter dem Namen # doitlikeme oder #perfectnutritionchangesyourlife in Sozialen Netzwerken geteilt wurden, desto härter schwang sie auf einmal wieder zurück: Mit der Gönnungs-und Genussmentalität, die dank hochkalorischer „Everything-Donuts“ und Crossover-Cooking gegenwärtig rasante Höhenflüge hingelegt hat, verfolgen alle, egal ob berühmte Konditoren aus der Metropole oder begeisterte Hochleistungssportler, dasselbe Ziel – harsche Verteidigung für viel Fett, Zucker, Kalorien und alles, was sonst noch reichhaltig und gut schmeckt!

Die köstlich-kulinarische Idylle ist – zugegebenermaßen extrem unerwartet- wieder zurückgekehrt.

Was sagt das aber uns Normalverbraucher und Nicht-Experten konkret, die wir in dem ganzen widersprüchlichen Wirr-Warr aus Kohlehydratverteufelnden und Geschmackshedonisten unser ganz persönliches Optimum finden wollen? Welche Botschaften von sich selbst als absolut setzenden Ernährungs-Gurus können wir annehmen – und wo sollten wir einen harschen Stopp einlegen und uns ein Stück weit auf veraltete, aber alt bewährte Vorgehensweisen bei der Ernährung besinnen?

Keine erhellenden Antworten können uns gegeben werden bis auf diese eine, dass  die Frage nach der perfekten Ernährung als das am wenigsten gelüftete Geheimnis der Menschheit in die Geschichte eingehen könnte. Allein schon die schillernde Vielfalt an unterschiedlichen Geschmäckern, Vorlieben und persönlichen Lebenseinstellungen stehen einer endgültigen Antwort, der idealen Essenslösung, entgegen: Jedem bleibt es denn wohl selbst überlassen, ob er sich nun weiterhin hemmungslos mit Festtagsgerichten und traditionellen Speisen vollstopft, weil man die Tradition für einen exzessiven Schlankheitswahn, unter dem ein Leben in Freude und Genuss nicht einmal mit äußerster Mühe vorstellbar ist, nicht vor den Kopf stoßen möchte. Oder ob man, kulturelles Erbe hin oder her, auf bislang bewährte Hausmannskost pfeift, und stattdessen nur noch progressive Super-Food-Nutrition pflegt, indem jedem beliebigen Online-Trend hinterhergejagt wird.

Wie bei nahezu allen Dingen im Leben entpuppt sich also auch das Thema Ernährung bei genauerem Hinsehen mehr grau als schwarz oder weiß: Eine Patentlösung respektive der Goldene Pfad der Ernährung existiert tatsächlich nicht, weder theoretisch noch praktisch, weder emotional noch faktisch.

Für alle Unentschlossenen, die nun gänzlich verwirrt sind, von ihrer bisherigen Ernährungsphilosophie abgebracht worden sind oder einfach nur neugierig-ungläubig darauf geworden sind, ob es sich lohnt, einer speziellen Ernährungssekte anzuschließen, finden sich zu den pfiffigsten der obigen Ernährungstrends hier die passenden Rezepte.

Wer Gefallen an American Tradition oder vorbildlichem Clean-Eating  gefunden hat, für den lohnt sich ein genauerer Blick in folgende Kochbücher:

  • Essen ohne Kohlehydrate: 55 köstliche Low-Carb-Rezepte von Alexander Grimme, Goldmann Verlag
  • New York- die Kultrezepte von Marc Grossmann, Christian Verlag
  • Urban Gardening beschreibt die Bewegung, an allen möglichen Stellen in Großstädten Blumen, Obst Gemüse anzupflanzen. Entstanden in den Siebziger Jahren, wo in erstmals in New York neben dem Zwecke der landwirtschaftlichen Selbstversorgung das Konzept des Gemeinschaftsgärtnerns (Community Gardening) auch sozial-gesellschaftliche Aspekte mit einbezogen wurden, hat sich der seit etwa 20 Jahren stetig wachsende Trend mittlerweile längst zu einem festen Lebensbestandteil vieler Großstädter etabliert: So soll durch den Anbau von Möhren, Salat& Co auf Dachterrassen und Balkonen nicht nur das Umweltbewusstsein geschärft und und zu nachhaltigem Lebensmittelkonsum angeregt werden, sondern auch gesellschaftlichen Problemen in Metropolen – Isolation, Einsamkeit, Entfremdung- durch die gemeinsame Beschäftigung mit der Natur mit sinnvollen Lösungsansätzen begegnet werden.
  • Superfood boomt seit einigen Jahren als gewaltiger Trend in den USA und ist nunmehr auch in Deutschland aus dem Regal der Ernährungs-Ratgeberbücher nicht mehr wegzudenken. Eine rechtlich geschützte Definition dafür existiert nicht, auch wenn sich verschiedene Institutionen, so etwa das Europäische Ernährungszentrum für Lebensmittel an allgemeinen Beschreibungen wie „besonders nährstoffreiche Lebensmittel insbesondere aus dem Bereich Obst und Gemüse“ versucht haben. Da jedoch zahlreiche der angeblichen gesundheitsfördernden Wirkungen von „Superfood“ häufig nicht ausreichend belegt sind, solle jedoch, nach Ansicht vieler Ernährungsexperten, mit Vorsicht gegenüber den größtenteils aus exotischen Ländern stammenden Lebensmitteln begegnet werden. Goji-Beeren und Chia-Samen und  aus Südamerika könnten den Speiseplan zwar bereichern, ein gesundheitlicher Mehrwert könne jedoch genauso gut aus heimischen Früchten wie Schwarzen Johannisbeeren und Leinsamen gewonnen werden.
  • Die US-Schauspielerin Gwyneth Paltrow ist neben ihren gefeierten Erfolgen auf der Leinwand auch das Aushängeschild für einen gesunden Lebensstil. Neben ihren bisher veröffentlichten Büchern und einer eigens herausgebrachten Zeitschrift, hat sich die Schauspielerin mit „Goop“ mittlerweile ein eigenes Unternehmen aufgebaut, das nicht nur Wellness-Produkte und Heilungs-Kongresse anbietet, sondern auf dem firmeneigenen Blog „Goop.com“ auch das angesammelte Expertenwissen von Paltrow in puncto Ernährung, Gesundheit und Lifestyle vermittelt. Trotz Begeisterung und Anerkennung unter ihren zahlreichen Anhängern, werden immer wieder auch harsche Stimmen der Kritik laut, die die Ernährungs-und Lebensweise der Schauspielerin als zu strikt und für einen normalen Menschen als unmöglich durchführbar bezeichnen.